Firewatch: schöne Einsamkeit


Firewatch ist das Erstlingswerk des Entwicklerstudios Campo Santo, wobei die Gründer bereits bei den The Walking Dead Spielen von Telltale in der kreativen Leitung mitgewirkt haben. Trotzdem ist ihnen hoch anzurechnen, dass sie mit ihrer ersten „eigenen“ Produktion ein wahres Schmuckstück abliefern. So erhalten sie reihenweise Bestnoten von den etablierten Magazinen. Hat Firewatch diese wirklich verdient? Finden wir es heraus.

Firewatch beginnt mit einem sehr textlastigen Prolog, der euch die Spielfigur Henry und seine Geschichte näher bringt. Oder eher gesagt die Geschichte seiner Frau, ihrer Krankheit und wie Henry versucht damit umzugehen. Denn seine Frau Julia erkrankt sehr zeitig an Alzheimer. Der Alltag gestaltet sich immer schwieriger. Irgendwann weiß Henry nicht mehr weiter und seine Schwiegereltern holen Julia zurück nach Australien. Henry flüchtet sich in einen einsamen Job. Als Parkwächter soll er einsam und verlassen in seinem Lookout nach dem Rechten sehen, Feuer melden und im Naturpark für Ordnung sorgen. Sein einziger Kontakt zu Außenwelt ist seine Chefin Delilah, mit der er über sein Walkie Talkie kommuniziert. Aber ist er wirklich so alleine hier draußen? Es kommt zu seltsamen Ereignissen. Jemand bricht in seinem Turm ein. Zwei junge Mädchen verschwinden spurlos und immer hat man das Gefühl, jemanden auf den Fersen zu haben. Was ist hier los in diesem wunderschönen Wald?

Die Erzählung von Firewatch kann vor allem eines richtig gut, Spannung aufbauen. Ob es nun kleine Details, wie zurückgelassene Bierdosen, oder größere Zwischenfälle, wie der verwüstete Turm oder ein zerfetztes Zelt sind, man kommt einfach nicht umhin sich irgendwie unwohl zu fühlen. Leider wird das Ende dieser aufgebauten Spannung nicht ganz gerecht. Das Ende ist alles andere als schlecht und weiß auf seine ganz eigene Art zu schockieren, aber genauso bleiben einige wichtige Fragen einfach unbeantwortet. Schade! Außerdem ist Firewatch mit einer Spielzeit von ca. 5 Stunden zu kurz geraten. Gegen Ende scheint das Spiel sich zu sehr zu hetzen. Ich hätte gerne noch 2 bis 3 Stunden länger gespielt.

Zum Glück ist aber der Wiederspielwert recht hoch. Warum? Wegen euren Interaktionen mit Delilah. Ihr könnt Sie beinahe wegen jeder Kleinigkeit kontaktieren und mit ihr einen kleinen Plausch halten. An festgelegten Punkten funkt sie euch an und fragt euch zum Beispiel nach eurer Geschichte. Nun liegt es an euch, wie oder ob ihr überhaupt antwortet. Diese verschiedenen Antwortmöglichkeiten beeinflussen, wie sich eure Beziehung zu Delilah entwickelt. Ja sogar eure eigene Spielfigur kann so zu einer ganz anderen Persönlichkeit werden. Ich jedenfalls habe sofort neu angefangen und wollte aus dem offenherzigen Henry im zweiten Durchgang einen grimmigen Alleingänger machen. Einfach um zu sehen, wie sich bestimmte Dialoge entwickeln. Dass das so gut funktioniert liegt einerseits natürlich an den verdammt gut geschriebenen Dialogen. Auf der anderen Seite, an der großartigen Leistung der Synchronsprecher. Jedes einzelne gesprochene Wort wirkt glaubhaft, persönlich und insgesamt ist die Synchronisation absolute Referenz im Videospiel-Bereich.

Aber was macht der Spieler nun eigentlich in Firewatch? Ganz ehrlich, nicht viel. Die meiste Zeit wandert ihr von A nach B, stellt dort fest, dass es nicht weitergeht, geht zu Punkt C um ein bestimmtes Werkzeug zu holen und kehrt zu Punkt B zurück. Zwischendurch schaut ihr mehrmals auf eure Karte und den Kompass, um zu schauen, ob ihr auch auf dem richtigen Weg seid. Diese Werkzeuge sind zum Beispiel eine Taschenlampe, ein Seil zum Klettern oder eine Axt, um neue Wege frei zu hacken. Damit ist Firewatch im Kern in weitere „Walking Simulator“. Warum stört das aber nicht? Ersten, weil Delilah beinahe permanent mit euch redet und ihr so den tollen Dialogen lauschen könnt. Und zweitens, weil der Wald, durch den ihr wandert, einfach so toll aussieht, dass man gerne durch ihn streift.

Trotzdem hätte ich mir noch mehr Interaktion gewünscht. So startet einer eurer Arbeitstage mit einer Angel in der Hand auf dem Weg zum See. Doch ihr kommt nie dazu, da Delilah mal wieder eine Aufgabe für euch hat. Warum darf man als Spieler nicht selbst entscheiden, einfach mal einen Tag Angeln zu gehen? Warum gibt es zum Beispiel keine Geo-Caches in schwer zugänglichen Gebieten? Mehr Aufgaben, die man als Parkhüter nebenbei erledigen kann, wie den Schutz von Wildtieren, in dem man illegal aufgestellte Fallen entfernt? Hier wird in meinen Augen ziemlich viel Potential verschenkt.

Kommen wir aber zurück zum Wald und der grundlegenden Technik. Was die Unity Engine da auf die Playsation zaubert, ist einfach atemberaubend schön. Der Comic Look steht dem Spiel unglaublich gut und dieser Wald gehört zu den schönsten Gegenden, die ich in einem Videospiel bisher besucht habe. Zwar kämpft die PS4 ab und zu mit der Bildrate und etwas spät erscheinende Gräser schmälern das Gesamtbild ein wenig. Dennoch muss ich sagen, dass mich die Technik voll überzeugen konnte. Firewatch sieht einfach richtig gut. Schade nur, dass ihr im ganzen Wald (bis auf eine Ausnahme) keinem einzigen wilden Tier begegnet.

Hier wie immer der Test als Video:


Hat Firewatch also die vergebenen Bestnoten verdient? Im Ansatz schon, aber vor allem im Detail offenbaren sich die einige Schwächen. So bleibt die Erzählung ein paar Antworten schuldig. Es gibt keine Nebenbeschäftigungen, die das Spiel noch umfangreicher gestaltet hätten. Die Playstation kämpft mit der Technik und das Fehlen von wilden Tieren zerstört ein wenig die Immersion. Trotzdem hatte ich mit Firewatch extrem viel Spaß und die kurze Spieldauer, die großartigen Dialoge und die verzweigten Pfade laden zum erneuten Spielen ein.

Pro.
+ spannende Erzählung
+ glaubhafte, zum Teil selbst formbare Charaktere
+ großartig geschriebene und vertonte Dialoge
+ wunderschöne Spielwelt

Kontra:
- Ende wird der aufgebauten Spannung nicht gerecht
- offene Fragen
- keine Nebenbeschäftigungen
- keine Wildtiere
- Probleme mit der Bildrate


Wertung: 8/10

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