Mirror’s Edge Catalyst: verschenktes Potential, schon wieder…


Schade! Das ist das erste, was mir zu Mirror’s Edge Catalyst einfällt. Und dabei hatte ich mich riesig auf die Neuauflage des PS3 Geheimtipps gefreut. Man wollte das hervorragende Gameplay endlich um eine gute Erzählung ergänzen. Eine frei erkundbare Stadt sollte die Bewegungsmöglichkeiten perfekt ausnutzen. Im Ansatz sind das alles sehr gute Ideen, aber wenn sie nicht richtig umgesetzt werden, erhält man ein Spiel, das an den eigenen Vorsätzen scheitert. Aber gehen wir in diesen Test doch ein wenig ins Detail!

Das ursprüngliche Mirror’s Edge kann man durchaus als Konzept-Demo bezeichnen, der eine rudimentäre Geschichte angehängt wurde. Catalyst sollte nun das Gameplay-Konzept mit einer ausgereiften Erzählung in neue Dimensionen heben. Nur leider ist die neue Erzählung genauso belanglos und nichtssagend wie die des Vorbilds.

Die junge Cat kommt aus dem Gefängnis und rennt gleich wieder in Arme des Widerstands, um auf gefährliche Botengänge zu gehen. Denn die Stadt wird weiterhin von mehreren Großkonzernen totalitär regiert und die Einwohner permanent überwacht. Die Runner stellen sich diesen Konzernen in den Weg. Aber warum war die junge Frau eigentlich im Gefängnis? Was soll das Gehopse über die Dächer der sterilen Stadt eigentlich bringen? Was genau ist so schlimm an den Konzernen? Viele Fragen werden gar nicht oder nur unzureichend beantwortet.

Da hilft es auch nicht, dass sich die Erzählung viel zu vorhersehbar weiterentwickelt. Charaktere bleiben blass und unnahbar. Einen vermutlich als großen Twist angesetzten Moment sieht man viel zu früh kommen und aufgrund der fehlenden Charakterisierung will dieser Moment dann auch gar nicht richtig funktionieren. Dabei hatte Catalyst genug Potential eine toll erzählte Geschichte in einer vielschichtigen Welt mit interessanten Charakteren zu inszenieren. Was wollen die Konzerne? Warum gibt es verschiedene Gruppierungen des Widerstands? Charaktere wie Plastic oder Dogen zeigen ganz klar, dass man in der Lage ist, gut geschriebene Charaktere zu kreieren. Ihr Potential wird nur nicht genutzt.

Ein weiteres Problem der Erzählung ist, dass viel zu viel Offscreen oder und Cutscenes passiert. Der Widerstand will jemanden entführen, ihr dürft aber nicht einmal zusehen, sondern müsst weit weg ein paar Schalter drücken. Über den Funk bekommt ihr den Verlauf der Entführung mit. Warum darf man nicht selbst mitmachen oder wenigsten etwas davon sehen? Das sorgt dafür, dass man als Spieler völlig losgelöst von der eigentlichen Geschichte agiert, was der Story natürlich nicht gut tut. Die spektakulärsten Momente, in denen Häuser zusammenbrechen und Cat sich geradeso retten kann, passieren ausschließlich in Zwischensequenzen. Warum darf man solche Highlights nicht selber spielen?

Apropos spielen, kommen wir zum Gameplay. Her besinnt sich Catalyst zum Glück auf seine Stärken und ergänzt das großartige Spielgefühl des Vorgängers mit ein paar neuen Werkzeugen. Mit Cat über die Dächer der Stadt zu rennen, an Wänden entlang zu klettern oder an Seilen die tiefen Häuserschluchten zu überwinden macht immer noch einen riesen Spaß und geht genauso flüssig von der Hand wie eh und je. Als Spieler hat man nie das Gefühl die Kontrolle über Cat zu verlieren. Jede Aktion wird präzise und schnell umgesetzt.

Der neue hinzugekommene Greifhaken ermöglicht euch versperrte Wege freizumachen oder euch an weit entfernte Vorsprünge zu schwingen. Eine weniger gut gelungene Ergänzung ist der Disruptor, der genutzt wird um an einigen wenigen Stellen in der Spielwelt Ventilatoren zum Stillstand zu bringen. Dabei müsst ihr aber so penibel am richtigen Ort stehen, dass der Einsatz meistens den Flow komplett zerstört.

Wenn wir schon beim Flow zerstören sind, kommen wir zu den Kämpfen. Es gibt nun keine Schusswaffen mehr und so muss sich Cat im Nahkampf behelfen. Das Konzept bestehend aus Schlägen, Tritten und Ausweichmanövern macht im ersten Moment Spaß. Wenn euch aber mal der Platz ausgeht oder ihr zu viele Gegner auf einmal managen müsst, offenbaren sich ganz klar die Schwächen. Dieses Kampfsystem nimmt das Tempo raus, fühlt sich häufig viel zu repetitiv an und macht einfach keinen Spaß.

Ausweichen -- Tritt -- Ausweichen -- Tritt -- Oh gut, er ist K.O. -- Der nächste bitte!

Mirror’s Edge Catalyst fehlt einfach die Abwechslung. Ich verstehe die Idee dahinter, dass man auf Schusswaffen verzichten wollte. Aber man beschneidet das Spiel damit auch um ein wichtiges Gameplay-Feature. Und davon gibt es in Catalyst schon nicht viel. Ihr rennt, rutscht und springt von A nach B und dürft euch ab und zu prügeln. Es fehlt aber die Abwechslung und irgendwann fällt euch auf, dass ihr seit 10 Stunden immer wieder das gleiche macht.

Da hilft es auch nicht, dass es der offenen Welt an markanten Stellen mangelt. Sie soll steril aussehen, das weiß ich. Aber ist es sinnvoll eine offene Welt zu bauen, in der alles gleich aussieht. In den Story-Missionen sieht man, dass ein wenig Abwechslung durchaus gut tun kann. Einfach so durch die offene Welt zu rennen, macht aber einfach keinen Spaß. Zudem macht Dice hier einen auf Ubisoft und füllt die Spielwelt mit allerhand sinnfreien Nebenaktionen. Du rennst schon stundenlang durch immer gleiche Korridore? Hier sind 20 optionale Missionen, in denen du das noch öfter machen darfst! Ich persönlich habe zwei oder drei dieser Nebenmissionen erfüllt und es dann einfach gelassen.

Mit einer Ausnahme, den Grid-Notes. Diese kann man als Kletterrätsel betrachten, bei denen alle Hilfen ausgeschalten werden und ihr einen Weg zu einer Konsole finden müsst, um die Schnellreise-Funktion für das Viertel freizuschalten. Nicht nur erhaltet ihr hier eine lohnenswerte Belohnung, es macht auch noch Spaß den richtigen Weg zu entschlüsseln! Hier blitzt einmal mehr das ungenutzte Potential auf.

Warum sollte man sich aber um die Nebenmissionen kümmern? Um Erfahrungspunkte zum Freischalten von Fähigkeiten zu bekommen. Cat kann zum Beispiel nicht von Anfang an sanft abrollen oder sich im Springen drehen. Das muss sie durch Upgrade-Punkte erlernen. Warum? Weil Rollenspielelemente jetzt überall reingehören! Ich finde das System mehr als überflüssig.

Da ich die Multiplayer Features nicht genutzt habe, kann ich dazu auch nichts sagen.

Auch technisch konnte mich Mirror’s Edge Catalyst nicht wirklich überzeugen. Fangen wir mit den positiven an. Alle Animationen sind butterweich, das Geschwindigkeitsgefühl ist großartig, der Soundtrack angenehm zurückhaltend und es gibt die eine oder andere hübsch anzusehende Kulisse. Im Detail fallen aber Schwächen bei den Charaktermodellen, die fehlende Abwechslung und teilweise echt nicht gut aussehende Texturen auf. Vor allem die Weitsicht empfand ich in vielen Punkten als enttäuschend. Es wollte sich nie ein Gefühl für die Höhe einstellen. Das Spiel will spektakulär zeigen, wie gefährlich die Klettereinlagen gerade sind, aber aus irgendeinem Grund will das einfach nicht gelingen.

Und wie immer gibt es das alles natürlich auch als Video:


Es ist wirklich schade, dass auch der zweite Versuch nicht das Potential des gelungenen Gameplays ausnutzt. Die Story ist wieder viel zu lahm erzählt. Es fehlt an Herz und einige Gameplay-Features und Design-Entscheidungen passen einfach nicht in das Gesamtbild. Dabei macht es immer noch Spaß mit Cat über Häuserdächer zu rennen, aber eben nicht für 12 oder mehr Stunden. Da müssen mehr Ideen oder mindestens eine interessante Story her. So wird Mirror’s Edge Catalyst einfach zu schnell langweilig. Ich jedenfalls war froh als die Credits über den Bildschirm rollten und ich werde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zurückkehren. Schade!

Pro:

Kontra:

+ Free Running Gameplay einzigartig und spaßig wie eh und je
- Gameplay-Idee aber nicht mehr so frisch wie damals
+ Greifhaken ist eine gelungene Ergänzung
- Disruptor ist dafür eine furchtbare Ergänzung
+ Dogen und Plastic zeigen Potential der Charakterisierung
- … was aber nicht genutzt wird
+ Grid Notes zeigen Potential für Aktivitäten
- … dafür dienen alle weiteren Nebenbeschäftigungen zum Füllen der Minimap
+ Cat ist immer noch eine interessante Protagonistin
- .. die aber nicht ausreichend beleuchtet wird
+ zurückhaltender Soundtrack
- Erzählung hat Höhepunkte nur Offscreen oder in Zwischensequenzen
+ einige hübsche Kulissen
- Story zu vorhersehbar, nicht spannend

-  zu viele unbeantwortete Fragen

- zu wenig Abwechslung

- Technik offenbart Schwächen im Detail

- offene Welt ist zu eintönig


Wertung 5,5/10



Kommentare