Watch Dogs 2: neues Setting, neue Probleme


Das ursprüngliche Watch Dogs musste vor allem wegen eines Grafik-Downgrades sehr viel Kritik einstecken. Das Spiel ans ich war gar nicht so übel, nutze das volle Potential aber nicht aus. Vor allem Aiden Pearce als Hauptcharakter blieb einfach viel zu blass. In Watch Dogs 2 wechselt Ubisoft in das sonnige San Francisco und passt die Erzählung an das buntere Szenario an. Es wird hipper, es wird weniger verklemmt, aber wird es auch besser? Das klären wir in diesem Test. Viel Spaß!

Böses Silicon Valley


Ihr schlüpft die Haut von Marcus Holloway. Dieser wurde aufgrund kleinerer Vergehen vom aus dem Vorgänger bekannten ctOS als Bedrohung eingestuft. Das will er natürlich nicht auf sich sitzen lassen. So brecht ihr zu Beginn des Spiels in die Blume Zentrale ein und löscht euren ctOS Eintrag. Gleichzeitig gilt dieser Hack als Aufnahmetest für die DedSec Hacker-Gruppe. Diese hat ctOS und das Unternehmen dahinter (Blume) zum Feind erklärt. Ihr Ziel? Mit Hacks und krassen Aktionen  Follower gewinnen und so die Machenschaften des bösen Silicon Valley aufzudecken.

Moment? Follower? Irgendwie sorgte dieser Ansatz bei vielen Testern für Verwirrung? Was soll das? Aber die Idee ist sogar recht clever. Jeder Follower lädt eine DedSec-App und stellt der Gruppe damit ein Teil seiner Rechenleistung zur Verfügung. Mehr Follower bedeuten also mehr Rechenpower für aufwendigere Hacks und natürlich auch mehr Aufmerksamkeit für die Enthüllungen der Hacker-Gruppe. Das Szenario ergibt also durchaus Sinn!

So schleust euch die Story durch lose miteinander verbundene Missionen, die euch immer wieder die dunklen Machenschaften der IT-Unternehmen aufdecken lassen. Der Bezug zu realen Ereignissen ist dabei erschreckend. Da werden News Feeds und soziale Medien werden bei Wahlen zu Gunsten eines Kandidaten beeinflusst. Daten werden für Finanzgeschäfte missbraucht. Versicherungen erheben aufgrund eurer Daten und Gewohnheiten die Beiträge an. Das Thema Datenschutz und die Gefahren der verschiedenen Datenkraken werden sehr gut dargestellt.  


Alles nur Hippster?


Was der Story aber fehlt ist ein roter Faden oder ein „echter“ Bösewicht. Zwar versucht das Spiel einen Gegenspieler in der Rolle des Dusan Nemec (CTO von Blume) einzubinden, aber dieser bleibt einfach viel zu blass. Was genau sind seine Motive? Was macht den Kerl so schlimm (außer sein Männer-Dutt)? Aber nicht nur der Bösewicht bleibt blass, sondern auch eure Spielfigur. Marcus wird beinahe gar nicht porträtiert. Was waren diese Vergehen, die ihn zur Bedrohung gemacht haben? Warum kämpft er an der Seite von DedSec? Während Pearce im ersten Teil ein persönliches Motiv hatte, fragte ich mir hier immer wieder warum sich der Typ eigentlich immer wieder freiwillig in Gefahr bringt.

Die ganze Charakterisierung ist nicht unbedingt jedermanns Geschmack. So besteht DedSec aus einem Haufen merkwürdiger Persönlichkeiten, wobei einer versucht hipper und auffälliger als der andere zu sein. Da wäre Wrench, der sich aus Angst vor der Kamera-Überwachung hinter einer Maske versteckt. Die bunte Sitara, die mit ihren Graffitis und Videos den Namen DedSec bekannt macht. Josh ist das Computer-Genie, das mit anderen Menschen aber nicht umgehen kann. Und da ist noch Horatio, der… nun ja, den haben die Schreiberlinge irgendwie ganz vergessen.

Auch wenn die Figuren mit der Zeit etwas mehr Personalität bekommen. Insgesamt wirkt das ganze Setting etwas zu aufgedreht und zu sehr auf hipp getrimmt, teilweise sogar etwas peinlich und nervig. Schade!

Digitaler Spielplatz


Die durchwachsene Story wird aber durch das großartige Gameplay wieder wettgemacht. Watch Dogs 2 baut auf die Stärken des Vorgängers auf und verfeinert diese. So wirkt das Hacken intuitiver und ein wenig anspruchsvoller. Besonders gut gefallen hat mir aber der offene Ansatz. Jede Mission stellt ein großes Spielfeld dar, Ihr bekommt ein Ziel, ein mehr oder weniger großes Areal und der Rest liegt an euch. Ob ihr euch mit brachialer Gewalt einen Weg zum Ziel ballern wollt, oder lieber um die Wachen herum schleicht, bleibt euch überlassen. Nutzt ihr eure Drohnen, könnt ihr sogar Ziele erreichen ohne das Zielgebiet überhaupt selbst zu betreten. Die Möglichkeiten sind zahlreich und das Experimentieren mit den Möglichkeiten macht extrem viel Spaß!

Ich persönlich habe den passiven Hacking Ansatz gewählt. Das liegt daran, dass sich das Gunplay im Vergleich zum Vorgänger schwammiger anfühlt und Marcus schon nach wenigen Treffern zu Boden geht. Der Schleichansatz scheint hier die höhere Priorität bekommen zu haben. Außerdem ist es unglaublich befriedigend den Wachen die Daten direkt unter Nase weg zu klauen und dabei auf dem Nachbardach mit einer Fernbedienung in der Hand zu sitzen. Mein einziger Kritikpunkt ist hier die etwas zu empfindliche Gegner-KI: Entdeckt euch eine der Wachen wissen alle anderen auch wo ihr seid. Das ist nicht nur unrealistisch, sondern sorgt für Frustration.

Der einzige Gameplay-Anteil der so gar nicht funktionieren will in das Fahrzeug-Handling. Alle Autos fahren sich viel zu schwammig. Ein Geschwindigkeitsgefühl will nie aufkommen. Schon im Vorgänger war das nicht Fahrzeug-Handling nicht gut und Watch Dogs bietet hier leider keine Verbesserung.

Lebendiges San Francisco


Das eigentliche Highlight von Watch Dogs 2 ist aber San Francisco an sich. Die Stadt wirkt unglaublich belebt. Sie sieht gut aus und bietet allerhand Nebenaktivitäten. So könnt ihr an Motorrad-, Go-Kart-, Drohnen oder auch Segelboot-Rennen teilnehmen. Mit Hilfe der „Driver SF“ App bekommt ihr Uber-artige Taximissionen, die in sich teilweise sehr unterhaltsame Geschichten erzählen. Die „Scout-X“ App führt euch an die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Das Beste daran? Alles bringt euch neue Follower. Damit gliedern sich die Nebenmissionen mit in die Hauptgeschichte ein und wirken dadurch nicht nur wie schmückendes Beiwerk. Insgesamt gab es nur eine einzige Nebenmission, die mir gar nicht zusagt (Graffitis verteilen) hat. Das ist schon eine beachtliche Leistung.

Dass die Stadt so belebt wirkt, verdankt sie aber ihren NPCs. In keinem anderen Spiel habe ich tatsächlich so sehr das Gefühl gehabt, dass hier echte Menschen unterwegs sind. Nicht nur, weil ihr jeden einzelnen NPC Hacken und so Hintergrundinfos über die Menschen im euch herum sammeln könnt, sondern weil diese auch sehr schön selbstständig agieren und vor alle auch auf euch reagieren. Ihr macht mit der In-Game Kamera ein Foto, bereitet auch auf verärgerte Passanten vor, die nicht aufs Bild wollen oder Leute die sich aus Spaß in euer Foto schleichen. Besonders die zufälligen Events haben mir aber gefallen. Da kann es schon einmal vorkommen, dass die Polizei einem NPC hinterherjagt. Sich zwei Passanten streiten oder eine betrogene Frau das Auto des Mannes schrottet. Solche Momente beleben die Spielwelt ungemein. Dieses San Francisco ist für mich die glaubhafteste Spielwelt des Jahres.

Schon wieder ein Grafik-Downgrade?


Kommen wieder abschließend zur Technik. Viele äußern  sich hier wieder zu einem angeblichen Grafik-Downgrade. Und zum Teil haben sie Recht. Betrachtet man die ersten Trailer, so wirkte die Stadt damals noch viel voller. Die Anzahl der NPCs wurde im Vergleich zu diesen Bildern tatsächlich drastisch herunter geschraubt, aber störend finde ich das persönlich nicht.

Im Gegenteil, Watch Dogs sieht großartig aus. Die Häuserschluchten oder die umliegenden ländlichen Gegenden können mit einem hohem Detailgrad und sehenswürdigen Szenarien aufwarten. Ich war zwar noch nie in San Francisco aber der Charme der Stadt und deren Wahrzeichen wie die Golden Gate Bridge oder die Lambard Street sehen großartig aus und haben in mir das Reisefieber geweckt.

Auch bei den Charaktermodellen zeigt sich die gelungene Technik. Marcus ist butterweich animiert und kann mit zahlreichen Kleidungen an die eigen Wünsche angepasst werden. Insgesamt sehen alle Hauptcharaktere hervorragend aus. Mimik und Gestik kann ebenso überzeugen.

Ganz stark ist aber, dass ich während meiner ca. 25 bis 30 Stunden Spielzeit nicht einen einzigen gravierenden Fehler festgestellt habe. Die Framerate bleibt stabil. Es gab keine großen Bugs oder Abstürze. So muss das!

Hacke den Hacker


Ein weiteres Highlight ist der nahtlose Multiplayer, der nach ein paar Startproblemen nun einwandfrei funktioniert. So könnt ihr in eurer Spielwelt von anderen Spielern überrascht werden, die an eure Daten wollen. Nun müsst ihr diese finden und ausschalten. Das Katz und Maus Spiel macht sehr viel Spaß und sorgt für eine extra Portion Spannung, da ihr nie wisst, wann ein anderer Spieler in eure Welt eindringt. Anders herum könnt ihr natürlich auch andere Spieler stören.

Besonders interessant fand ich aber, dass Spieler, die in ihrem Spiel zu viel Unruhe gestiftet haben, auf eine Kopfgeld-Liste gesetzt werden und dann auch von anderen Spielern gejagt werden können.
Der Multiplayer macht damit wirklich sehr viel Spaß und fügt wie beinahe alle anderen Gameplay-Elemente nahtlos in die Spielwelt mit ein.

Englisch oder Deutsch?


So viel Lob gibt es aber leider nicht beim Sound. Fangen wir mit den positiven an, dem Soundtrack. Die Radio Stationen im Spiel reiche von einfacher Pp Musik, über Rock bis hin zu Latin Sounds und damit sollte jeder etwas Passendes finden. Mir haben aber vor allem die speziellen Elektro Sounds gefallen. Ich bin kein riesen Elektro Fan aber schon der Intro-Song hat mir richtig gut gefallen.
Das Lob endet aber bei der deutschen Synchronisation. Die wirkt mehr als einmal fehl am Platz. Ob es an den doch sehr klischeehaften Texten lag, kann ich nicht sagen. Aber die deutschen Sprecher machen keinen guten Job. Selbst die besseren Leistungen konnten mich nie wirklich überzeugen. Spiel wenn möglich auf Englisch. Das ist die Vertonung zwar auch nicht perfekt, aber immerhin besser.

Auch die Fahrzeugsounds konnten gar nicht überzeugen. Alle Fahrzeugt klingen einfach kraftlos. Das geht definitiv besser!

An dieser Stelle könnt ihr euch den Test wie immer auch als Video ansehen:


Fazit


Watch Dogs 2 ist nicht die typische Ubisoft Weiterentwicklung, sondern eher ein Neuanfang mit ganz eigenen Schwächen. Das Gameplay stimmt. Der Spielspaß ist enorm und vor allem die Welt kann überzeugen. Aber vor allem das Potential der Story wird nicht ausgenutzt und die Charaktere sind eher nervig als interessant. Ist der zweite Teil besser als der erste? Er ist anders! Mir persönlich gefällt der zweite Versuch besser als der erste. Vielleicht liegt das aber auch an einer niedrigeren Erwartungshaltung. Nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass Watch Dogs 2 ein wirklich gelungenes Open World Spiel geworden ist, dass Fans des Szenarios und von Open World Spielen insgesamt zufriedenstellen sollte.

Pro:

Kontra:

+ grundlegend spannende Story
- .. deren Potential aber nicht genutzt wird
+ viele Seitenhiebe und Verweise auf reale Ereignisse


- alle Charaktere bleiben blass und teilweise nervig

- Bösewicht und Held ohne wahre Motive
+ lebendige Open World mit vielen Nebenaktivitäten

+ offen Herangehensweise an Spielziele
- … auch wenn der Schleichansatz priorisiert wurde

- überempfindliche KI

- schlechtes Fahrzeug Handling
+ nahtloser Multiplayer macht Laune

+ optisch überzeugend
- … trotz erneutem Grafik-Downgrade
+ guter Soundtrack


- schwache deutsche Vertonung

- mieser Fahrzeugt Sound


Wertung: 8 /10 

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