In einer Zeit, in der Videospielserien und Nachfolger den Markt dominieren, ist es umso erfrischender, wenn neue Marken den Markt erobern wollen. Das dachten sich vermutlich auch die Entwickler von Guerilla Games, die den Killzone-Ballereien den Rücken kehrten und sich mit Horizon Zero Dawn an ihr ersten Open World Abenteuer wagten. Ca. 30 Stunden habe ich mit der neuen Heldin Aloy in dieser von riesigen Maschinen bevölkerten Post-Apokalypse bewegt. Habe in der Zeit zahlreiche Abenteuer erlebt, das ein oder andere Geheimnis gelüftet und möchte in diesem Test nun eine wichtige Frage klären. Hat die PS4 mit Horizon Zero Dawn einen weiteren Hit erhalten? Ist das schon das Spiel des Jahres? Finden wir es heraus!
Unsere Zukunft in der Steinzeit
Horizon Zero Dawn spielt in der fernen Zukunft. Die Menschheit ist aufgrund einer noch unbekannten Katastrophe zurück in die Steinzeit katapultiert worden. In den Ruinen der alten Metall-Welt hat sich die Menschheit in verschiedenen Stämmen zusammengefunden. Währen einige Stämme die Sonne verehren, haben sich andere wiederum der Jagd verschrieben. Der Jagd auf die großen Metallwesen, die nun die Erde bevölkern. Wo kommen diese Roboter her? Wer hat sie gebaut? Und was ist mit den Menschen eigentlich passiert?
Diesen Fragen will die neugierige Aloy auf den Grund gehen. Ausgestoßen von ihrem Stamm wächst sie im Exil auf. Lernt von ihrem Ziehvater Rost alles was sie braucht, um in dieser rauen Welt zu überleben. Doch ihr Wissensdrang bringt sie immer wieder in Schwierigkeiten. Sie will wissen wer sie ist, warum sie ausgestoßen wurde. Um Antworten zu erhalten, nimmt sie an der sogenannten Erprobung teil. Ein Ritual, das es ihr erlaubt in den Stamm zurückzukehren und die Antworten zu erhalten, nach denen sie so lange schon sucht.
Doch bei der Erprobung geht etwas gehörig schief. Der Stamm wird von fremden angegriffen. Ein Großteil der Krieger wird ermordet, unter anderem auch ihr Ziehvater. Aloy kann nur knapp überleben und wird in die große, weite Welt ausgesandt, um die Hintergründe des Angriffs aufzudecken. Dabei kommt sie einer noch wesentlich größeren Bedrohung und den Geheimnissen der alten Welt auf die Schliche.
Faszinierend, kontrovers, offen
Mehr sei an dieser Stelle zur Story von Horizon Zero Dawn nicht verraten. Entgegen meiner Erwartung ist der Erzählung nämlich überraschend wendungsreich und vielschichtig erzählt. Während der Plot um einen anstehenden großen Krieg, also die akute Bedrohung, eher das übliche Endzeit-Szenario darstellt, ist vor allem die Geschichte um den Untergang der alten Zivilisation das treibende Mittel in der Geschichte des Spiels. Immer wieder führt euch euer Weg in alte Bunkeranlagen, in denen ihr nach und nach die Geschehnisse aufdeckt, die die Menschheit damals in den Untergang getrieben haben. Auch werden dort die Fragen zu Aloys Herkunft aufgedeckt. Guerilla Games schlagen hier sehr kreative Wege ein. Zudem schrecken sie nicht vor der ein oder andern kontroversen Frage zurück! Dieser Teil der Story hat mir sehr gut gefallen.
Und wo wir schon über diese Aloy reden. Diese Aloy ist für mich auf Anhieb ein greifbarer, nachvollziehbarer und ikonischer Charakter geworden. Ihr Drang Antworten zu finden und ihre anfänglich jugendliche, beinahe schon naive Art sind Punkte, die die Protagonisten sofort sympathisch machen. Dazu kommt, dass sich Aloy im Laufe der Geschichte zu einer selbstbewussten Frau weiterentwickelt, die sich in späteren Gesprächen durchaus bewusst wird, dass sie anderen überlegen ist und das ganz offen zeigt. Aloy als Charakter ist einfach gelungen.
Der dritte große Aspekt der Erzählung ist die neue Welt, in der sich Aloy bewegt. Die verschiedenen Stämme mit unterschiedlichen Motivationen, Religionen und Gesetzen sind ebenso vielschichtig wie interessant umgesetzt. Seien es religiöse Fanatiker, wissbegierige Forscher oder verbohrte, aber ehrenhafte Krieger. Jeder Stamm hat eine ganz eigene Geschichte, die es nach und nach zu entdecken gilt. Dabei gibt es nicht den einen guten und den bösen Stamm. Jede Seite bietet genügend nachvollziehbare Argumente.
Ich könnte hier so viel über die Welt von Horizon Zero Dawn erzählen, dass ich den Rahmen des Reviews komplett sprengen würde. Alleine das sollte zeigen, wie gut Guerilla Games das neue Universum gefüllt hat.
Alte, offene Welt, sehr gut umgesetzt
Jetzt habe ich so viel zur Story und zur Spielwelt erzählt, dass wir endlich zum Gameplay kommen müssen. Horizon Zero Dawn erfindet das Rad nicht neu. Viel mehr wird sich am gut gefüllten Top voller altbekannter Open-World-Mechaniken bedient. Wir haben Sammel-X- und Töte-Y-Quests. Es gibt Türme, oder in diesem Fall riesige Maschinen, zum Erklimmen, um Teile der Welt aufzudecken. Ihr sammelt Rohstoffe und Kräuter, um Ausrüstung zu verbessern. Ihr erhaltet Erfahrungspunkte, steigt im Level auf und verbessert nach und nach eure Fertigkeiten und so weiter.
Dass hier nicht viel Neus geboten wird, ist aber alles andere als schlimm, weil die genutzten Mittel (bis auf das Quest-System, aber dazu später mehr) sehr gut umgesetzt werden. Das spielerische Highlight ist aber ganz klar der Kampf gegen die Metallriesen. Die Viecher sind gut gepanzert, schwer bewaffnet und teilweise auch sehr flink. Ohne eine angemessene Vorbereitung und Taktik beißt Aloy nach wenigen Treffern ins virtuelle Gras. SO müsst ihr gezielt bestimmte Körperteile unter Beschuss nehmen und die Maschinen in teils ausufernden und anstrengenden Kämpfen nach und nach zu Altmetall verwandeln.
Solltet ihr einem Kampf aus dem Weg gehen wollen, kann sich Aloy auch geduckt im hohen Gras verstecken und so Maschinen und menschliche Gegner aus dem Hinterhalt großen Schaden zufügen.
Der Umgang mit Pfeil und Bogen, Seilwerfer und Co. geht dabei angenehm flüssig und intuitiv von der Hand. Durch die Möglichkeit, die Zeit kurzzeitig zu verlangsam und Schwachstellen hervorzuheben, macht das fehlende Lock-On-System wieder wett. Insgesamt merkt man dem Spiel an den flüssigen und packenden Kämpfen an, dass Guerilla Games im Shooter Genre beheimatet sind. Selbst beim Erlegen der hundertsten Maschine hatte ich noch einen riesen Spaß! So muss das!
Ooohs und Aaahs
Besonders beeindruckend ist Horizon Zero Dawn aber auch auf der technischen Seite. Im feinsten HDR sieht die Spielwelt wunderschön aus. Dazu ist sie angenehm abwechslungsreich. Kalte Gipfel, offene Felder, Wüsten und dichte Dschungel ergeben ein stimmiges Gesamtbild. Vor allem Lichteffekte sind auf einem bombastischen Niveau.
Auch Charaktermodelle müssen sich nicht verstecken. Vor allem Aloy ist detailreich modelliert und ihre Gesichtsanimationen, Bewegungen wirken glaubhaft. Das trifft zwar nicht auf alle Charaktere zu, aber alle Hauptakteure sind ähnlich gut umgesetzt. Bei den Maschinen haben sich Guerilla Games ebenfalls sehr große Mühe gegeben. Nur die vielen menschlichen Klon-Gegner fallen leider negativ auf.
Auch auf der klanglichen Seite kann Horizon Zero Dawn überzeugen. Der Soundtrack spielt sich zwar nur selten in den Vordergrund, aber wenn er es tut, dann ist ein audiovisueller Genuss. Kämpfe werden brachial unterlegt, leise Erkundungstrips atmosphärisch begleitet.
Nur die deutsche Synchronisation hapert an der einen oder andern Stelle ein wenig. Während Aloy wunderbar vertont ist, wirken viele Gespräche teilweise hölzern und Nebenfiguren treffen nicht immer den richtigen Ton. Das geht besser!
Zudem sind mir in der kompletten Spielzeit keinerlei Fehler aufgefallen. Es gab keine gravierenden Bugs, Abstürze oder sonstige Probleme.
Kleine Mängel
Zum Ende muss aber doch ein bisschen Meckern.
Vor allem bei den Quests lässt man sehr viel Potential liegen. Die Aufgaben bestehen zu 90 Prozent immer aus, gehe irgendwo hin, töte oder besorge etwas und komme wieder zurück. Meine Motivation war da recht schnell verloren. Dazu kommt das viele Nebenquest sehr hölzern inszeniert sind. Beinahe immer stehen sich Aloy und der Questgeber starr gegenüber, tauschen ein paar Informationen aus und weiter geht’s. Bei dieser Inszenierung gehen leider viele interessante Details der Gespräche verloren. Dass das besser geht, haben Genre-Kollegen wie The Witcher 3 bereits unter Beweis gestellt.
Und das Ubisoft’sche Syndrom möchte ich auch ein wenig bemängeln. Der Zwang die Welt mit Sammelobjekten zu überhäufen gefällt mir einfach nicht. Warum soll ich die Ruinen nach ein paar alten Tassen absuchen, wenn es doch so viel interessantere Aufgaben gibt? Warum werden für solche sinnlosen Aufgaben Ressourcen verschwendet, die man lieber in bessere Quests investiert hätte?
Fazit
Ist Horizon Zero Dawn das perfekte Spiel, auf das die PS4 gewartet hat? Nein! Ist es ein großartiger Titel, der zeigt wie sehr wir frische Spielwelten brauchen? Auf jeden Fall! Technisch und erzählerisch ist Horizon Zero Dawn eine Wucht. In puncto Gameplay wird nichts revolutioniert, aber alles spaßig und gekonnt umgesetzt. Die kleinen angesprochenen Mängel kann ich bei einem Erstlingswerk im bisher unbekannten Genre auch ohne weiteres verschmerzen. Horizon Zero Dawn ist ein Spiel, dass sich kein PS4-Besitzer entgehen lassen sollte. Sony und die Playstation haben mit Aloy ein neues Aushängeschild bekommen. Denn eines ist ganz klar. Wir werden die junge Dame wiedersehen. Und darauf freue ich mich gewaltig!
Pro: | Kontra: |
+ neue, interessante Spielwelt
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+ vielschichtige und komplexe Machtstrukturen
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+ Aloy ist wunderbar geschrieben und wächst dem Spieler ans Herz
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- … Nebencharaktere bleiben eher blass
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+ Rätsel der alten Welt sehr motivierend
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+ riesige, offene, wunderschöne Spielwelt
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+ Kampf gegen Roboter macht unglaublich Spaß
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- … Kampf gegen menschliche Gegner im Vergleich unspektakulär
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- viele langweilige Nebenquests
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+ Grafikpracht in wunderschönen HDR
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- Inszenierung teilweise hölzern
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+ toller Soundtrack
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- deutsche Synchronisation durchwachsen
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- zu viele Sammelobjekte
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- Fertigkeitenbaum und Crafting zu generisch
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